Kritik entsteht zwischen Beobachtung und Interpretation, auf der Suche nach Argumenten, welche Gegenargumente hervorrufen, Emotionen evozieren und Zweifel erwecken. Kritik erfordert es, sich zu positionieren und eine Haltung einzunehmen, kritische Fragen zu stellen und kritische Gegenfragen aufzunehmen, um den Raum für Reflexion zu öffnen. Kritisches Überdenken in diesem Sinne kann zum Umdenken führen. Wenn Kritik sich verschließt und zur willkürlichen Machtdemonstration rhetorischer Stärke wird, verhindert sie den fruchtbaren Dialog, verletzt und isoliert. Kritik verhandelt Diskrepanzen unterschiedlicher Realitäten. Paradigmen und Normen werden hinterfragt und transformiert.
Vielleicht leben wir in "einem Moment, in dem die Worte von Bildern überwältigt werden, in dem kritische Diskurse und begründete Untersuchungen in einer Flut von rhetorischen Figuren und harten Oppositionen ertrinken (....)?"Was sind nun die kritischen Themen in der Architektur und in welchem aktuellen Zustand befinden sich diese Kritik und das kritische Denken?
Argumentiert Architektur letztendlich nicht auch nur mit Bildern statt mit Worten? Wem will sie gefallen? - Die Vielfältigkeit der Beurteilenden und ihrer Wertungsperspektiven spiegeln sich in der Kritik der Auftraggebenden, der Architekt*innen und der Öffentlichkeit. Die Architekturkritik findet u.a. ihren Ausdruck in Verhandlungen mit der Bauherrschaft, in Zwischen- und Endkritiken im Kontext der Lehre, in Juryberichten in Wettbewerbsverfahren sowie in Rezensionen im Architekturjournalismus. Doch wann ist sie konstruktiv, wann apodiktisch? Konstruktive Architekturkritik verlangt den Anspruch einer ständigen Selbstbefragung und den Willen, das eigene Urteilsvermögen mit geäußerter und angenommener Kritik weiterzuentwickeln.
Wenn gebaute Umwelt gefrorene Musik und die Verkörperung gesellschaftlicher Herrschaftsstrukturen ist, kann die architektonische Praxis dann ein Medium von emanzipatorischen Bewegungen werden? Und inwieweit sind eine kritische Architekturtheorie und eine Architekturkritik am Objekt in der heutigen Zeit besonders gefragt, um die Praxis reflektierend und transformativ zu bereichern?